SHIKOKU HENRO

Was ist der Shikoku Henro (四国遍路)

Der Shikoku Henro ist ein Pilgerweg auf der Insel Shikoku - der kleinsten von vier japanischen Hauptinseln. Er ist rund 1.200 Kilometer lang, verläuft im Kreis und führt durch alle vier Präfekturen Shikokus zu 88 buddhistischen Tempeln. "Henro" bezeichnet einerseits die Pilgerreise und andererseits die Pilger. Die Bezeichnung "O-Henro" begegnet Reisenden häufig und versteht sich als eine Höflichkeitsform.

Verschiedene Arten der Pilgerreise

Dein individueller Weg als "Wandernder Henro"

Wer auf traditionelle Art pilgert, beschreitet die Pilgerreise zu Fuß. Alternativ ist die Reise aber auch mit dem PKW, Motorrad oder Fahrrad möglich. Auch geführte Bustouren und Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind möglich. Der Shikoku Henro beginnt in der Regel beim ersten Tempel Ryōzenji und verläuft im Uhrzeigersinn bis zum 88. Tempel Ōkuboji. Grundsätzlich sind Start und Ziel nicht festgelegt, sodass du deine Pilgerreise an jedem Tempel beginnen und beenden kannst.

Du kannst deine Pilgerreise auch beenden, indem du vom 88. Tempel wieder zum ersten Tempel zurückkehrst. Dann hast du den Kreis vollständig geschlossen. Für die "Wandernden Henros" gibt es dafür drei verschiedene wählbare Routen. Der kürzeste Weg ist rund 40 Kilometer lang, der längste rund 45 Kilometer. Die Pilgerreise lässt sich entweder in einer einzigen Tour vollenden oder mit Unterbrechungen. Viele Japaner entscheiden sich beispielsweise für eine Tour mit Unterbrechungen, wandern nur an ihren Wochenenden oder im Urlaub. Sie setzen ihre Reise jeweils dort fort, wo sie zuletzt aufgehört haben. Einige benötigen Jahre, um den Henro vollständig zurückzulegen.

 

Meine Erfahrungen

Wissen und Tipps von meiner eigenen Pilgerreise

Es gibt verschiedene Wegmarkierungen wie Steinsäulen, Aufkleber oder Schilder, die sich überall an Bäumen, Pfosten oder Wänden befinden können. Einige Markierungen sind schwer zu erkennen, weil sie sehr klein, zugewachsen oder von der Sonne ausgeblichen sind. Meiner Erfahrung nach verläuft sich jeder mindestens einmal.

 

Die Unterbringung erfolgt hauptsächlich in familiengeführten Bed & Breakfasts und traditionellen Gasthäusern, die als Minshuku und Ryokan bekannt sind und Einzelzimmer anbieten. Die Check-in-Zeiten variieren in der Regel zwischen 14 und 16 Uhr, während das Frühstück meist gegen 6.30 Uhr und das Abendessen gegen 18 Uhr serviert wird. Die Kosten für die Unterkunft lagen während meiner Reise zwischen 2.500 Yen (ohne Mahlzeiten) und 9.000 Yen (inkl. Mahlzeiten).


Tipp: Die Unterkünfte haben oft nur ein Gemeinschaftsbad und eine Waschmaschine, manchmal sogar keinen Trockner. Es gilt das First-come-first-serve-Prinzip, deshalb empfehle ich so früh wie möglich dort anzukommen. Viele Unterkünfte erwarten eine Ankunft bis spätestens 17 Uhr.

 

Pilgern kann sowohl körperlich als auch geistig anstrengend sein. Einige Pilger, die bereits den Jakobsweg erfolgreich bewältigt haben, mussten ihre Pilgerreise zu Fuß abbrechen, weil sie die Anforderungen unterschätzt hatten.


Eine weitere Herausforderung kann das Wetter sein. Als ich im Herbst 2023 gepilgert bin, war es noch sommerlich heiß und sehr schwül, was die Anstrengung zusätzlich erhöht hat.


Auch die Beschaffenheit der Wege ist ein wichtiger Faktor. Etwa 80 % der Gesamtstrecke sind asphaltiert, man geht oft am Straßenrand entlang. Einige Naturwege sind gefährlich und schwierig zu gehen. Auf allen Wegen herrscht bei Nässe erhöhte Rutschgefahr.


In ländlichen Gegenden gibt es nur wenige Übernachtungsmöglichkeiten, die vor allem an Wochenenden und Feiertagen schnell ausgebucht sein können. In der Nebensaison können einige Unterkünfte vorübergehend geschlossen sein, was die Planung erschwert.


Die Begegnung mit gefährlichen Tieren wie Bären, Wildschweinen, Riesenhornissen und Giftschlangen stellt eine weitere Herausforderung dar, die es zu berücksichtigen gilt.


Ich rate, so leicht wie möglich zu packen. Sowohl vor als auch während der Pilgerreise ist eine gute Vorbereitung hilfreich, besonders Unterkünfte sollten mindestens zwei Tage im Voraus gebucht werden.

 

In Japan konnte ich mit meiner Kreditkarte bei allen ATMs in der Post und in Convenience Stores Geld abheben. Die ATMs sind reichlich vorhanden. In japanischen Banken funktioniert das allerdings nicht.

Die Pilgerreise ist auch ohne Japanischkenntnisse möglich. Es ist jedoch ratsam, einige grundlegende Sätze und Wörter zu kennen, da wenig oder kein Englisch gesprochen wird. Übersetzungs-Apps können die Kommunikation erleichtern. Zudem sind die beiden Silbenschriften Hiragana und Katakana schnell erlernbar, die Lernzeit beträgt nur wenige Tage.

Osamefudas sind Namenszettel aus Papier, die in jedem Tempel zu erwerben sind und die mit dem eigenen Namen, der Adresse (Angabe von Stadt und Land reicht aus) und dem aktuellen Datum beschriftet werden. Du hinterlässt zwei Osamefudas in jedem Tempel als Beweis deines Besuchs. Wenn du ein Namenszettel von einer Person geschenkt bekommst, gibst du dieser Person auch dein beschriftetes Osamefuda.

 

Wenn du die weiße Weste trägst, die "Hakui" (白衣) genannt wird, wirst du als Henro erkannt. Auf deiner Pilgerreise durch Shikoku wirst du immer wieder kleine Geschenke, sogenannte "Osettais", von den Einheimischen erhalten. Das können Getränke, Essen, Geld oder auch kleine Dienstleistungen wie kostenloses Wäschewaschen oder selbstgemachte Handarbeiten sein.


Es ist wichtig, dass du dich für solche Geschenke aufrichtig bedankst und deinem Gegenüber aus Höflichkeit ein Osamefuda gibst. Aber erwarte niemals ein Osettai und lehne es niemals ab. Einzige Ausnahme ein Osettai abzulehnen: beim Angebot einer kostenlosen Mitfahrgelegenheit, wenn du den Weg komplett zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen möchtest.

Jeder, der den gesamten Pilgerweg nur zu Fuß oder nur mit dem Fahrrad zurücklegt ohne andere Fortbewegungsmittel zu nutzen, kann im Maeyama Ohenro Kōryū Salon ein Zertifikat erhalten. Der Salon liegt zwischen Tempel 87 und 88. Ich wurde selbst als "Henro Ambassador" geehrt.

Wenn ich zurückschaue, sind es vor allem die Menschen, die in Erinnerung bleiben. Meine Reise war von vielen netten, inspirierenden Begegnungen und Gesprächen mit Einheimischen und anderen Pilgern geprägt. Die Japaner, und ganz besonders die Menschen auf Shikoku, sind sehr freundlich und hilfsbereit. Die vielen erhaltenen Osettais und die kleinen Zurufe, wie „Ki o tsukete=pass auf dich“ oder „Ganbatte kudasai=bitte gib dein Bestes“, haben mir des Öfteren die Kraft und den Mut gegeben weiterzugehen. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Menschen, die mir auf dieser einzigartigen, lebensverändernden Pilgerreise begegnet sind, meinen herzlichen Dank aussprechen. 

Thank you, ありがとうございました!

 

Du hast noch Fragen zum Shikoku Henro?


Dann kontaktiere mich, um noch mehr über die Pilgerreise zu erfahren.